"Der Brief, den du nie lesen wirst" von PW

"Der Brief, den du nie lesen wirst" von PW

Dieser Brief ist an dich. Warum ich ihn schreibe weiß nur ich.
Ich möchte, dass du weißt, wie der Verfasser heißt.
Und, oh ich weiß, dessen bist du dir bewusst. Zum Lesen hast du keine Lust.
Und ich weiß auch, und das ist klar, dein Leben ist ganz wunderbar.
Nun, schön für dich, denke ich stumm. Du blätterst diese Seite um.
Oh Liebster mein, ich kenne dich. Ich weiß, du magst das Lesen nicht.
Und dich binden sowieso. Und nur durch's Saufen bist du froh.
Oh ich weiß so viel von dir, und doch wirkst du ganz fremd von hier.
Ich hab nur ein paar kleine Fragen, die Antwort kannst du später sagen.

Frage 1:
Warum?
Warum hieltst du mich für dumm? Warum spieltest du mit mir?
Warum sahst du mich nur hier?

Frage 2:
Wie oft?
Wie oft hast du gelogen? Wie oft mich dreist betrogen,
an der Wahrheit rumgebogen?

Frage 3:
Wo?
Wo, mein Liebster hast du es? Mein Herz, das tot ist und zerfetzt.
Ich gab es dir und mahnte dich, pass drauf auf, zerstör' es nicht!
Doch vergebens. Es ist fort. Und du zeigst mir des Todes Ort.
Und ich weine, seh dich an. Weil ich es schlicht nicht glauben kann...

Nun, das waren die drei Fragen. Doch, die Antwort kannst du dir sparen.
Ich will das alles nicht mehr wissen. Ich wünscht', ich könnte dich vergessen!
Doch, oh weh, ich kann es nicht. Ein böses End' nimmt die Geschicht.
Und im Stillen frag' ich mich:
Wirst du lesen dies Gedicht? Diesen Brief, getarnt als Reim, das soll dir eine Nachricht sein.
Doch Schatz, verzeih' mir, ich vergaß... Dass du ihn doch auf deutsch nicht laßt...
Nein, übersetzen musste ich und hinfort war das Gedicht.
Und was du tatst, ich weinte dann, in den Müll hast du's getan! Und gelacht
und nur gerufen:
"Geh dir mal nen Doktor suchen!"
Doch ich blickte dich stumm an,
und fragte, was ich ändern kann.
Doch dagegen warst du sehr, du liebtest mich wohl nimmermehr. Es dauerte,
bis ich begriff, die Liebe war ein sinkend Schiff.
Und nun, auf meinem Totenbett, denke ich mir, du warst nett.
Nett, von ferner anzuschaun. Doch nicht zum Herzen anvertraun. Schade,
diese Einsicht kommt zuletzt
und ich seh verschommen
das letzte Gesicht
ein Strauß roter Rosen
und hör' deine Stimme:
"Vergib mir, Liebste, nun gehst du fort. Ich werde dich lieben, immerfort."
Ich schließe die Augen und lächle mich fort.
Und werd' auf dich warten, an diesem besseren Ort...

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